Seit 2017 konnten wir drei Promotionsstipendien und acht Stipendien zum
Abschluss einer Promotion vergeben. Die Arbeiten unserer Stipendiat*innen
beschäftigten sich mit der Geschichte der DDR, des Nationalsozialismus und
mit der Geschichte europäischer Diktaturen.

Jolin Diekmann

Promotionsabschlussstipendium März 2023 – August 2023

Forschungsprojekt
Abenteuer Demokratie. Politische Bildung im deutschen Südwesten nach 1945, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Mittels eines regionalgeschichtlichen Zuschnitts untersucht das Projekt den Aufbau und die Entwicklung der außerschulischen politischen Bildung von 1945 bis in die siebziger Jahre. Es stellt Akteure und Initiativen in den Mittelpunkt, die sich der Demokratieerziehung von Jugendlichen und Erwachsenen widmeten. Neben den Institutionen sollen Ideen und Praktiken der politischen Bildung in den Blick genommen werden. Mit dieser Perspektive will die Arbeit auch einen Beitrag zur Frage nach der gesellschaftlichen Verankerung der Demokratie in der Bundesrepublik leisten.


Kathrin Meißner

Promotionsabschlussstipendium Oktober 2022 – März 2023

Forschungsprojekt
Stadtplanung als gesellschaftlicher Aushandlungsprozess! Anspruch und Alltagsrealität der DDR-Planungskultur am Beispiel Prenzlauer Berg 1971–1989, Freie Universität Berlin


Stadtplanung ist seit jeher ein höchst politisiertes Thema. Spiegeln sich darin doch Vorstellungen und Erwartungshaltungen an die künftige Ordnung und Gestaltung von Stadt und Gesellschaft wider. Dabei werden Leitbilder zur gesellschaftlichen wie politischen Repräsentation und Identifikation konstruiert, etabliert und reproduziert. Im Falle des zentralplanwirtschaftlichen Modells der DDR wurde von der SED-Parteiführung Stadtplanung als Wohnraum und Lebenswelt der neuen sozialistischen Gesellschaft öffentlich inszeniert. Die Staatsführung rechtfertigte damit ihr Wissens- und Führungsprivileg zur (Um)Strukturierung und Kontrolle von Stadtraum und Gesellschaft mittels öffentlicher Legitimations- und Loyalitätsstrategien. Doch neben scheinbar starren Strukturen, Hierarchien und etablierten Aufgabenfeldern bildeten gesellschaftliche Initiativen und informelle Selbsthilfe einen ebenso essentiellen Bestandteil im öffentlichen Aushandlungsprozess von Stadtplanung. Das Projekt zeichnet anhand der Analyse der Umgestaltung des Ost-Berliner Altbau Bezirks Prenzlauer Berg sowohl den ideologischen Anspruch als auch die praktische Realität von Stadtplanungspolitik und gleichzeitig verschiedene (in)formelle Formen von Interaktion und Kommunikation der beteiligten Akteure nach. Dabei werden die Transformationsprozesse und Dynamiken der DDR-Planungskultur im Zeitraum 1971–1989 gesellschaftspolitisch kontextualisiert.

Martin Breternitz

Promotionsabschlussstipendium Juli 2021 – Dezember 2021

Forschungsprojekt
Jazzklubs und Jazzmusiker in Thüringen 1959-1989. Eigensinn, Aneignung und die Praktiken sozialistischer Kulturpolitik, Friedrich-Schiller-Universität Jena / Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar (abgeschlossen)

Jazz in der DDR war eine vielfältige, oft nonkonforme und stets den Gedanken der Freiheit in sich tragende soziale und kulturelle Praxis. Dem gegenüber stand ein ideologisch starrer Staatsapparat, dessen Kulturbehörden jahrzehntelang zwischen Repression, Kontrolle, Vereinnahmung und Förderung changierten. Jazz war dabei zu jedem Zeitpunkt der DDR-Geschichte gesellschaftlich, politisch sowie künstlerisch relevant und bot ständige Reibungspunkte zwischen Staat und der dem Jazz geneigten Bevölkerung und der musikalischen Akteure. Fokussiert auf den Thüringer Raum untersucht das Dissertationsprojekt mittels Theorien des Kulturtransfers zeithistorische Zusammenhänge, gesellschaftliche Aspekte und Aneignungsformen von Jazz, sowie andererseits die lokalen kulturbehördlichen Kontrollstrukturen in Bezug auf diese Musikkultur. In dieser Regionalstudie zu Jazzszenen im Thüringer Raum, in denen sich Jazzfans im Rahmen von Jazzklubs ‚selbstorganisierte Kulturformen‘ schufen, werden mit alltagsgeschichtlichen und biographischen Zugängen die Perspektiven von Menschen untersucht, die in einer staatssozialistischen Diktatur eigensinnig ›ihre‹ Musik hörten, aufführten und veranstalteten.


Malte Georg Zill

Promotionsabschlussstipendium Juli 2021 – Dezember 2021

Forschungsprojekt
Die STAGMA im »Dritten Reich«: Instrumentalisierung des musikalischen Urheberrechts im europäischen Kontext, Hochschule für Musik und Theater München (abgeschlossen)

Gegenstand der Dissertation sind die Verstrickungen der Verwertungsgesellschaft für musikalische Urheberrechte STAGMA mit dem Staatsapparat des ›Dritten Reichs‹. Die interdisziplinäre Forschungsarbeit wird musikwissenschaftliche Biographik und zeitgeschichtliche Institutionsforschung verknüpfen, um den Anteil der direkten Vorgängerorganisation der heutigen GEMA an der finanziellen Isolation jüdischer Komponist:innen durch die Hitler-Diktatur zu klären. Dabei sollen nicht nur die Folgen für in Deutschland verbliebene „nichtarische“ Künstler:innen behandelt, sondern auch der Umgang mit emigrierten Künstler:innen untersucht werden. Dazu soll das Auftreten der STAGMA auf den Kongressen der in erster Linie von europäischen Gesellschaften geprägten Dachorganisation der Urheberrechtsgesellschaften CISAC unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zur Schwestergesellschaft des faschistischen Italiens, SIAE, analysiert werden. Die europäische Rechteverwertung der damaligen Zeit wurde, so die Kernthese der Dissertation, unter Ausgleich finanzieller und ideologischer Interessen im Fahrwasser der aggressiven Außenpolitik des „Dritten Reichs“ zum Schaden jüdischer Komponist:innen nach nationalsozialistischen Vorstellungen neu geordnet. Das Einbeziehen von Biographien emigrierter Komponisten wie Werner Richard Heymann, Kurt Weill und Paul Hindemith soll diese Mechanismen von Seiten der Musikwissenschaft aufzeigen.


José Luis Aguilar López-Barajas

Promotionsabschlussstipendium Juli 2021 – Dezember 2021

Forschungsprojekt
The Civilization of Leisure: The GDR, Spain, Europe and the Quest for Modern Holidays, Friedrich-Schiller-Universität Jena (abgeschlossen)

The project deals with the history of holidays using a comparative perspective of the GDR and Francoism during the sixties and seventies. Firstly, I analyze their conception of holidays and leisure and approach it with a transnational focus to frame both dictatorships within a larger European context. I aim to analyze the political and cultural transfers and exchanges amongst the European elites that gave birth to what was called the ‘civilization of leisure’. Secondly, I compare the public organizations whose task was to provide holidays for the citizens, their specific role in the regimes they belonged to and how they evolved over time. Finally, I study the holiday experiences of East German and Spanish holidaymakers. I aim to research how the citizens related to the state regarding holidays if they granted it a certain degree of legitimacy and to what extent the vision of the state influenced their holiday experience. This is also integrated into a broader European context to assess how Spaniards and East Germans perceived themselves compared to the holidaymakers and tourists from the liberal European countries.


Benjamin Werner

Promotionsabschlussstipendium Juli 2021 – Dezember 2021

Forschungsprojekt
Kommunale Sozialverwaltung zwischen Demokratie und Diktatur. Strukturen und Politik von 1918 bis 1939 am Beispiel Dresdens, Technische Universität Dresden

Ziel des Dissertationsprojektes ist es, mithilfe eines organisationssoziologischen Ansatzes eine neue und innovative Perspektive auf die Rolle und das Wirken der kommunalen Sozialverwaltung zwischen Weimarer Demokratie und NS-Diktatur zu eröffnen. Die Ergebnisse der Untersuchung sind aufgrund des interdisziplinären Forschungsdesigns über das Fallbeispiel Dresden von Bedeutung. Öffentliche Verwaltungen werden in Anlehnung an Max Weber häufig als berechenbare sowie leicht steuer- und programmierbare ›Maschinen‹ beschrieben, deren Mitarbeiter nur »kleine Rädchen im großen Getriebe« waren – eine Sichtweise, die zu kurz greift. Diese Studie geht neue Wege und fokussiert den Handlungskontext; sie generiert mithilfe der Organisationstheorie präzisere Analysen des organisationalen Rahmens der Verwaltungsmitarbeiter, um besser als bisher die Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung, das Eindringen rassenideologischer Imperative und schließlich die Rolle der Verwaltung im NS-Staat zu verstehen. Diese Studie leistet damit nicht nur einen Beitrag zur Stadtgeschichte, sondern vielmehr noch zur NS- und Bürokratieforschung.

Saskia Zweck

Promotionsstipendium Dezember 2020 – März 2022

Forschungsprojekt:
Bilder der ›Katastrophe‹. Die Bilder des Kriegsendes und ihre Nutzung im deutsch-deutschen Bildgedächtnis nach 1945, Universität Erfurt

Das Projekt untersucht Fotografien der Nachkriegszeit in lokalen Erinnerungsgemeinschaften in Deutschland und widmet sich ihrer Entstehungsgeschichte, Wirkweisen und Funktionen im Bildgedächtnis der ›Katastrophe‹. Mittels biographischer, ikonographischer und erinnerungskultureller Zugänge wird eine vergleichende Bildanalyse vorgenommen. Diese umfasst vor allem die Ausarbeitung visueller Narrative in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in beiden deutschen Staaten und im wiedervereinigten Deutschland. Dieser Prozess wird bis in die Gegenwart nachgezeichnet und soll auch auf die Herausforderungen aufmerksam machen, die das Zeitalter der Digitalisierung im Umgang mit historischen Bildern birgt.


Philipp Dinkelaker

Promotionsabschlussstipendium März 2020 – August 2020

Forschungsprojekt:
Dealing with ›Jewish Collaboration‹ in post National Socialist Germany – Compensation, Honor Court Trials and Criminal Proceedings Against Shoah Survivors, Technische Universität Berlin

In his PhD project at the Center For Research on Antisemitism (Berlin) he analyzes moral-ethical accusations and criminal proceedings against German-Jewish survivors of the Shoah who were perceived as Nazi ›collaborators‹. Philipp Dinkelaker illustrates how Jews, who had been forced by the Nazis to hurt other Jews, were portrayed and discusses the functions of these pictures for both collectives – Jews and non-Jews. With a unique and new combination of sources Dinkelaker shows that accused survivors were not only brought to inner-Jewish honor courts but East and West German authorities charged alleged ›Jewish collaborators‹, barred them from compensation and morally condemned – and de facto treated – them as more evil than the Nazis. Dinkelaker asks how this affected the early perception of the Shoah and the process of Vergangenheitsbewältigung (coming to terms with the past), given that the constitution of the German postwar societies included the inclusion of the perpetrators? The project is essential for our understanding of German postwar and post Holocaust history and the transformation of Nazi antisemitism in East and West German political culture.


Jenny Price

Promotionsabschlussstipendium Januar 2020 – Juni 2020

Forschungsprojekt:
Der Demokratisierungsprozess in Ostdeutschland, 1989–1994, University of Warwick (abgeschlossen)

Das Projekt untersucht den Transformationsprozess in Ostdeutschland auf kommunaler Ebene, mit Blick auf die Städte Erfurt und Eisenach. An fünf exemplarischen Konfliktpunkten wird deutlich gemacht, wie sich Menschen in ihrem Alltag den Umwälzungen gestellt haben, und inwieweit sie diesen Prozess selbst mitgestalten konnten. Indem detailliert auf die soziale und politische Praxis zum Ende der DDR eingegangen wird, liefert die Arbeit auch neue Einsichten in die Strukturen und Dynamiken politischer Umbrüche und zeigt auf, welche Schwierigkeiten sich bei der Überwindung einer Diktatur präsentieren. Insofern leistet die Forschungsarbeit einen Beitrag zur Zeitgeschichte Deutschlands und spricht dabei auch aktuelle Fragen der Politikwissenschaft an.

Klara Muhle

Promotionsstipendium Januar 2017 – Dezember 2019

Forschungsprojekt
Der Belgrader Prozess 1946: Ein Kriegsverbrechertribunal im frühen Jugoslawien, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Das Projekt widmet sich dem Belgrader Prozess vom 10. Juni bis 15. Juli 1946. Angeklagt waren 24 hochrangige und während des Zweiten Weltkrieges teilweise konkurrierende Četnici. Die Todesstrafe gegen den wohl bekanntesten Angeklagten, den von der Exilregierung eingesetzte Kriegsminister Dragoljub Mihailović, ist bis heute Gegenstand erbittert geführter öffentlicher Debatten. Dieses Projekt setzt sich zum Ziel am Beispiel des Belgrader Prozesses die Aufarbeitung der Vergangenheit des sozialistischen Jugoslawien und des postsozialistischen serbischen Staates aus einer kulturgeschichtlichen Perspektive heraus in einem Dreischritt aus Prozess, Rezeption und Nachwirkung zu betrachten.


Konstantin Heinisch-Fritzsche M. A.

Promotionsstipendium Januar 2017 – Dezember 2019

Forschungsprojekt
Sport und Fußball als Transmitter von Herrschaft und Ideologie im faschistischen Italien, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Das Promotionsvorhaben möchte die Bedeutung des Phänomens Sport im faschistischen Italien untersuchen, exemplarisch am Beispiel des Fußballs analysieren und somit einen Beitrag zum Verständnis der größeren Zusammenhänge von Sport und Diktatur leisten. Der italienische Faschismus stellt in dieser Hinsicht ein Desiderat der Forschung dar, gleichwohl er, was die Indienstnahme des Sports für Herrschaft und Ideologie betrifft, Pionierarbeit leistete und sowohl für den staatlich organisierten Breiten- als auch Spitzensport beispielgebend war. Im Sinne eines kulturgeschichtlichen Beitrages sollen die ideologischen Vorstellungen der Faschisten in ihrer Widersprüchlichkeit beleuchtet werden. Dabei werden sowohl die Herrschaftspraxis des Regimes im Spannungsfeld der Instrumentalisierung des Sports für die Veralltäglichung der Diktatur als auch die Aneignungsprozesse von Seiten der Sportlerinnen und der Rezipientinnen hinterfragt.

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Katharina Schwinde
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