Am 4. Dezember 1989 wandelte sich die Andreasstraße von einem Ort der Unterdrückung zu einem Ort der Befreiung. An jenem Tag besetzten mutige Erfurter*innen die Stasi-Zentrale und das Gefängnis in der Andreasstraße. Es war die erste Besetzung dieser Art in der DDR. Danach kam es auch in anderen Städten zu Besetzungen von Stasiverwaltungen.
Die Stasi-Mitarbeiter*innen waren gerade dabei, Beweise für ihre Menschenrechtsverletzungen zu vernichten. Doch die Besetzer*innen retteten, was noch zu retten war, und lagerten die sichergestellten Stasi-Akten in den leeren Gefängniszellen ein. Dies war ein Meilenstein der Friedlichen Revolution und der Beginn der Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen. Deshalb hat diese Geschichte heute einen besonderen Platz: auf dem Kubus der Friedlichen Revolution, dem Wahrzeichen unserer Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße. Hierfür wurden historische Bilder von der Potsdamer Agentur freybeuter zu einer Collage zusammengesetzt. Die künstlerische Verfremdung der Collage besorgte der Zeichner Simon Schwartz (Hamburg).
*1953 in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz
Oppositionelle in der DDR und Akteurin in der Friedlichen Revolution 1989
»Nach der Besetzung der Stasizentrale packten plötzlich viele mit an, um den Repressionsapparat des Staates, die allesbeherrschende Krake der Staatssicherheit, aufzulösen. Wir schwärmten aus, um den den vielen Hinweisen aus der Bevölkerung nachzugehen. Wir spürten konspirative Wohnungen auf, zerstörten Telefonabhöranlagen, machten unterirdische Bunker ausfindig.«
Am 5. Dezember 1989, einen Tag nach der Besetzung der Stasizentrale, bildet sich in Erfurt ein Bürgerkomitee, in dem sich auch Barbara Sengewald engagiert. Das vorrangige Ziel: die Auflösung der Stasi. Weil die meisten Erfurter*innen ›den Alten‹ und ihren Institutionen nicht mehr vertrauen, widmet sich dieses Komitee bald aber auch anderen kommunalen Aufgaben.
*1959 in Gotha
Vorwurf: ›Staatsfeindliche Hetze‹ nach § 220 des Strafgesetzbuchs der DDR
Inhaftiert in der Andreasstraße von Juni bis Dezember 1978
»Als ich in die Andreasstraße kam, wurde ich erst einmal drei Wochen lang verhört. Jeden Tag, von früh bis spät. Am schlimmsten war für mich der Kommentar des Vernehmers am ersten Tag: ›Wenn Sie denken, das reicht, um in den Westen zu kommen, irren Sie sich‹. Ich wollte doch gar nicht in den Westen. Ich wollte bleiben, um etwas zu verändern.«
1978 erfährt der 18-jährige Harald Ipolt im Westfernsehen vom Volksaufstand, der am 17. Juni 1953 die SED-Diktatur erschütterte und von sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagen wurde. Die DDR-Medien schweigen den Aufstand tot, Ipolt will an ihn erinnern. Er schreibt mit Kreide auf die Straßen von Gotha ›Es lebe der 17. Juni‹ und landet dafür im Gefängnis.